01.12.18 (Brief ohne Umschlag)

Kreuzberg im Rheinland, den 1. Dezember 1918

Liebste Martha!

Im 3. Quartier diesseits des Vater Rhein angelangt. Laut Befehl sollen wir am 4. Dezember in Arnsberg. Ob unsere Abteilungen gerade nach Arnsberg ins Quartier kommt, kann ich noch nicht sagen, jedenfalls aber in nächste Umgebung. In Arnsberg demobilisiert nämlich das XIV. Armeekorps welchem wir auf dem Rückmarsch zugeteilt sind. Die dem Korps zugeteilten Formationen werden von Arensberg aus verladen und demobilisieren im Standorte ihrer Ersatzruppenteile. Das bedeutet für uns Transport nach Altona Bahrenfeld. So lauten die jüngsten Befehle. Entlassen sind bis jetzt nur die Elsaß-Lothringer und diejenigen Offiziere und Mannschaften, die in nächster Umgegend des von uns durchmarschierten Geländestreifens ihren Wohnsitz hatten. Nach Überschreiten der neutralen Zone könne entlassen werden, soweit die Marschfähigkeit der Truppe dies zuläßt, alle Reichs- und kommunale Beamte des Jahrgangs bis 1886. Hierzu gehöre ich also auch noch nicht. Da wir außerdem in Arnsberg noch acht bis zehn Tage auf den Abtransport warten müssen, hat es mit meiner Entlassung noch recht lange Weile. Vorläufig rechen ich aber immer noch mit der Möglichkeit bis zu Weihnachten Zuhause einzutreffen. - Den letzten Brief, den ich von Dir erhielt, datierte vom 30. Oktober. Seit der Zeit also nichts mehr von daheim erfahren. Es drängt mich also zu wissen, was in dieser Zeit es alles von dort zu berichten gibt in dieser ereignisreichen tief ernsten Zeit. Nach Empfang dieses Briefes bitte ich Dich also herzlichst mir ausführlich Bericht zu erstatten, und diesen Brief dann zu adressieren, wie ich noch angeben werde, sobald die Ortsunterkunft für die III. Abteilung Feldartillerieregiment 405 in der Nähe von Arnsberg, wo wir also acht bis zehn Tage bleiben, uns bekanntgegeben wird. Den gewünschten Bericht bitte sofort beginnen. Unter anderem Beantwortung folgender Punkte Zug saat (?) Ausfall der Kartoffel- und Rübenernte, Fortschritt der Winterfurche (Pflügen des Ackers), Holzabfuhr, Wiesenarbeiten, Familie Krone ausgezogen, Milchfahrer, Pferdeverkauf, Paul entlassen, Barbestand der Kasse, Milchmenge, Schlachten von Schweinen, Abgabe von Vieh usw ?, der Absender der Briefe muß recht deutlich zu lesen sein. Hoffentlich sind Deine letzten Briefe allesamt nach dort zurückgeschickt, und werden für mich zurückgelegt. Mangel an Papier und weitere Unbequemlichkeiten lassen es heute nicht zu, Dir längeren Bericht zu geben über Erlebnisse der letzten Wochen. Der Marsch war sehr abwechslungsreich, schwierige Märsche und bequeme Marschstraßen von Quartier zu Quartier. Bis jetzt alles gut gegangen. Morgen geht’s nach Westfalen hinein über Lüdenscheid hinaus. Ich hoffe, daß es Dir bis jetzt immer noch recht gut gegangen hat und es weiter für die Zukunft, die nächste vor allem, Dir gehen wird. Herzlich grüßend für heute Schluß

Auch bitte Fräulein Nolte, Paul und alle übrigen bestens von mir zu grüßen.

Hoffentlich werde ich morgen die Adresse Dir zuschicken können.

Auf baldiges Wiedersehen in tief trauriger Zeit

Dein Fritz

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Version 1.0 Gerhard - Hermann Kuhlmann, November 2005