Cartun* d. 23. Nov. 1914
Liebe Martha!
Seit etwa 14 Tagen habe ich meine Tätigkeit im Schreiben etwas eingestellt, außer einigen kurzen Empfangsbestätigungen über erhaltene Liebesgaben seitens meiner Angehörigen. Man weiß auch kaum noch etwas Neues zu berichten. Bleibt alles beim Alten. Das große Feldherrngenie unserer höheren Führung kommt in diesen großen Schlachtlinien nicht genügend zur Geltung. Das Umfassen der Flügel ist unmöglich geworden, durch Anlehnung einerseits an die Nordsee ....(unleserlich)
Kavallerie steht monatelang hinter der Front völlig untätig. Höchstens könnte man sie noch in Rußland verwerten. Meldereiterdienst können sie auch nicht mehr annehmen, weil die Truppen das selbst besorgen und schnell durch Telegraphen erledigen.
Der ausgearbeitete Plan, die blitzschnelle Offensive hat uns bis hierher gebracht, nun trat der Spaten in Tätigkeit, wie nie zuvor, damit ist nicht gerechnet worden. Falls es uns nicht gelingt, die Linie zu sprengen, vielleicht bei (unleserlich) oder Arras, ist es unabsehbar, wie lange es hier noch dauern wird. Den Truppen im Osten wünsche ich, daß sie sich für den Winter zur Grenze zurückziehen, man kann vielleicht ja wieder im Frühjahr vorgehen, kommt jedoch nunmehr darauf an Rußland gegenüber defensiv zu bleiben und nach Niederwerfung Frankreichs dort anzugreifen. Minen und Handgranaten fehlen in diesem Kriege. Vorläufig gebe ich aber immer noch nicht die Hoffnung auf, daß der Sieg errungen und wir schon im Frühjahr zurückkehren. Wie oft bin ich in vordersten Schützengräben gewesen, um mir ein Bild vom Gelingen eines Durchbruchs zu machen, sobald aber die Geschütze wiederholt sichtbar werden, sausen auch schon die. Kugeln darüber hinweg. Wenn einmal die Soldaten zurück sind, werden viele mit durchlöcherten Helmen erscheinen. Man glaubt dann nicht, daß diese Löcher entstanden indem der Kopf des Betreffenden darunter fehlte, ... sondern macht sich ein jeder ab und zu das Vergnügen, den Helm auf einen Stock zu stecken, um diesen für kurze Zeit etwas hoch zu heben. Sogleich beginnt das Schießkonzert. Gestern wieder einmal zur Abwechslung ein Scheinangriff. Sonst geht es uns gut hier. Selbst ... vermisse ich die Bildungsvereinsabende.
Viele herzliche Grüße
Dir und Schwester Betta**
Fritz
* Über den Ort konnte ich nichts ermitteln.
Wer das lesen kann, maile seinen Lösungsvorschlag bitte an info@ghkuhlmann.de "Betreff: fritz_martha"
** Elisabeth Ihle, genannt Betta