5. März 1848 Französisch-deutsche Grenze

Um die Friedensabsichten der neuen II. Republik gegenüber Europa zu bekräftigen, hatte Außenminister Lamartine für Frankreich auf alle Gebietsansprüche gegenüber dem Deutschen Bund und Belgien verzichtet und die noch heute bestehende Grenze von 1815 anerkannt.

Mit dem Westfälischen Frieden von 1648 hatte Frankreich erstmals Gebiete im Elsaß erworben und die Grenze in einigen Bereichen bis an den Rhein vorgeschoben. Infolge der Eroberungskriege Ludwigs XIV. fielen bis 1697 fast das gesamte Elsaß und Teile der Pfalz an das Königreich Frankreich. Bis 1766 gewann Frankreich den größten Teil Lothringens und Gebiete an der Saar. Als Sieger der Koalitionskriege annektierte die Französische Republik bis 1797 das gesamte linksrheinische Deutschland. Auf dem Wiener Kongreß (1814) mußte Frankreich diese Gebiete an Preußen (Rheinland), die Vereinigten Niederlande (Luxemburg) und Bayern (Pfalz) abtreten, behielt aber Lothringen, das Elsaß und Teile des Saargebiets mit Saarlouis und Teile der Pfalz mit Landau. Nachdem Napoleon erneut die Macht in Frankreich ergriffen hatte und es der vereinten Anstrengungen der Alliierten bedurft hatte, ihn bei Waterloo zu schlagen und endgültig abzusetzen, blieben die Friedensbedingungen im Wesentlichen bestehen, allerdings mußten Saarlouis und Landau an den Deutschen Bund (an Preußen bzw. an Bayern) abgetreten werden.

Für den französischen Nationalismus seit dem 16. Jahrhundert war der Rhein die natürliche Grenze an der seit der Antike die (lateinische) Zivilisation und die (germanische) Barbarei aufeinandertreffen. Die Französische Revolution und Napoleon I. hatten dieses Ziel für einige Zeit erreicht.

Nach außenpolitischen Mißerfolgen* kam es unter Louis Philippe zu einer Napoleon-Renaissance: Napoleon-Bücher. Napoleon-Theaterstücke, Napoleon-Denkmäler. Höhepunkt war 1840 die Überführung des Leichnams aus St. Helena in den Invalidendom zu Paris. Zur selben Zeit tauchten in der französischen Öffentlichkeit Forderungen nach der Rheingrenze vermehrt auf, die in Deutschland auf ein breites ebenfalls nationalistisches Echo gestoßen waren. „Zwei im rechten Augenblick gedichtete Lieder, »Die Wacht am Rhein« und »Sie sollen ihn nicht haben, den freien deutschen Rhein!«, gewannen stürmische Popularität. Preußen setzte seine Truppen im Westen auf Kriegsfuß. Die Nation, eben noch in sechsunddreißig Staaten geteilt, erschien plötzlich als eine, die begeisterten, grimmigen Blicks zum Rhein schaute.“ **

Von deutscher Seite wurde nun vermehrt mit sprach-nationalen und historischen Argumenten die Rückgabe Elsaß-Lothringens an Deutschland gefordert.

Lamartines Grenzerklärung eröffnete eine Möglichkeit zum friedlichen deutsch-französischen Ausgleich, indem jede Seite auf ihre Extremforderungen verzichtete. So tat es auch die Deutsche Nationalversammlung in Frankfurt am Main, die jede Frontstellung gegen Frankreich vermied und ebenfalls die bestehenden Grenzen nicht in Frage stellte. Unter Napoleon III. und Bismarck sollte sich diese Konstellation wieder verändern.

*Ein voller Mißerfolg war die Orientpolitik. Frankreich hatte Mehmed Ali unterstützt, der sich als Vizekönig von Ägypten von Istanbul unabhängig gemacht hatte und der alle arabischen Teile des Osmanischen Reiches für sich beanspruchte und bereits in Syrien gegen die Türken kämpfte. Auf englisch-russisch-preußisch-österreichischen Druck hin scheiterte das Projekt einer französischen Einflußzone von Algier bis zum Euphrat.

**Golo Mann: Politische Entwicklung Europas und Amerikas 1815-1871, Propyläen-Weltgeschichte Bd. 8, S. 449f. Frankfurt am Main 1976

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Gerhard-Hermann Kuhlmann 25.11.2004 (Version 1.0)